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Berufsbezogene Elternarbeit – Eine Fortbildungsreihe für Lehrkräfte und Sozialarbeiter/innen

Evelyne Rößer (Landkreis Marburg-Biedenkopf) / Andrea Nispel (Projektberatung – Qualitätssicherung – Weiterbildung)

Die Berufswahl von Jugendlichen wird maßgeblich durch ihre Eltern beeinflusst. Einige von ihnen sind jedoch mit der Rolle als Beraterin oder Begleiter wenig vertraut. Damit die Ressourcen des Elternhauses besser mobilisiert werden können, wurde in Marburg-Biedenkopf eine Fortbildungsreihe zu berufsbezogener schulischer Elternarbeit durchgeführt.

Ausgangsüberlegungen und Zielsetzungen

Wenn Schule und Elternhaus partnerschaftlich, auf Augenhöhe, transparent und in gegenseitiger Wertschätzung miteinander kommunizieren, dann kann die schulische Berufsorientierung für alle Beteiligten zufriedenstellender verlaufen. Erfolg wird sich nur einstellen, wenn die Beteiligung von Eltern in den Schulen als Querschnittsaufgabe verstanden wird und die Kooperation mit Müttern und Vätern an deren vorhandenen Ressourcen und Potenzialen ansetzt. Dies verlangt von den Lehrkräften die Bereitschaft, neue Wege in der Zusammenarbeit mit den Eltern auszuprobieren und ihre bisherige Haltung zur Kooperation mit den Elternhäusern zu reflektieren und auch in Frage zu stellen.

Elternarbeit als Haltungsfrage bedarf der Professionalisierung von Lehr- und Fachkräften, damit sie möglichst bei allen Eltern und Jugendlichen ankommt. Mittel- und langfristig wird eine nachhaltige berufsbezogene Eltern-Schule-Kooperation im Schulcurriculum zu verstetigen sein, damit sie nicht ausschließlich von dem Engagement einzelner Personen abhängt und Eingang in die Schulentwicklungsprozesse findet.

Ausgehend von diesen Überlegungen und Zielsetzungen konzipierte, organisierte und dokumentierte das Regionale Übergangsmanagement des Landkreises Marburg-Biedenkopf und der Universitätsstadt Marburg 2009 eine aus fünf Modulen bestehende Fortbildungsreihe für Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte, die in Kooperation mit dem Staatlichen Schulamt beworben und dann von September 2009 bis Juli 2010 durchgeführt wurde.

Akquise von Teilnehmenden

Das Institut für Qualitätsentwicklung Hessen hatte die Fortbildungsreihe mit 30 Leistungspunkten akkreditiert. In Kooperation mit dem Staatlichen Schulamt wurden 17 regionale Haupt- und Realschulen mit einem Ankündigungsflyer beworben. Zusätzlich wurden alle Schulleitungen per E-Mail oder persönlicher Ansprache informiert.

Personelle Engpässe oder Terminüberschneidungen hinderten einige Schulen mit großem Interesse am Thema Elternarbeit an der Fortbildungsreihe teilzunehmen. Andere Schulen hatten in ihrer Schulentwicklung andere Schwerpunkte gesetzt. Schließlich konnten acht hoch motivierte Lehrkräfte von sieben Schulen für die Teilnahme gewonnen werden.

Die Fortbildungsreihe: Inhalte, Methodik und Didaktik

In der Fortbildung wurde eine Mischung aus Theorie und Praxis angeboten und Methoden zum Nachmachen vorgestellt. Besondere Bedeutung hatte die Entwicklung von konkreten Projekten der Teilnehmenden mit anschließendem Erfahrungsaustausch über die Umsetzung. Vier Module wurden halbtägig durchgeführt, das zweite Modul war ganztägig konzipiert. Alle Veranstaltungen fanden in einer ansprechenden Atmosphäre in einem Tagungszentrum statt. Ein Imbiss und Getränke trugen dazu bei, die Teilnehmenden ein Gefühl des Willkommenseins erfahren zu lassen.

In Modul 1 referierte Prof. Dr. Werner Sacher über fördernde und hemmende Faktoren in der schulischen Elternarbeit und thematisierte Handlungsbedarfe in der Elternarbeit mit Familien mit Migrationsgeschichte. Es fand eine theoretische Auseinandersetzung mit allgemeinen Grundlagen zu – interkultureller – Elternarbeit statt, die in eine Situationsanalyse über die Elternarbeit an den jeweiligen Schulen der teilnehmenden Lehrkräfte mündete.

Das Modul 2 befasste sich mit Barrieren und Lösungsansätzen für die Eltern-Schule-Kooperation. Der Praxisworkshop wurde von der Referentin Judith Hilgers und dem Referenten Daniel Weis gestaltet. Sie präsentierten empirische Ergebnisse und stellten Good-Practice-Modelle vor, die zu einer gelingenden Kooperation in der Berufsorientierung beitragen können. Ein Handout lieferte umfassende Anregungen, allgemeine Tipps und konkrete Anleitungen zu Planung und Durchführung von Eltern-Schule-Projekten.

Genderorientierte Elternarbeit in der Berufsorientierung bildete den Schwerpunkt von Modul 3, das die Referentin Martina Kwaschik gestaltete. Der Zusammenhang von Geschlechterrollen und Berufswahlentscheidungen wurde anhand der persönlichen Berufsbiografie und der Reflexion auf genderbezogene Einflussfaktoren in der eigenen Berufswahlentscheidung der Teilnehmenden beleuchtet. Eine umfangreiche Materialsammlung lieferte Ideen für die Einführung dieses Themas in die Kommunikation mit Elternhäusern.

Modul 4 stellte eingangs das Konzept "FuN®-Berufs- und Lebensplanung" des Instituts für präventive Pädagogik vor. Unter Anleitung der regionalen Koordinatorin, die die gesamte Veranstaltungsreihe konzipiert hatte, konnten dann die teilnehmenden Lehrkräfte jeweils ein Projekt zur berufsbezogenen Elternarbeit planen. Es wurde ein Maßnahmenkatalog erstellt, der mit einer Zeitplanung und Formulierung von Zuständigkeiten verbunden war. Weiter wurden Erfolgskriterien formuliert und eine Methode zur Messung er Erfolge entwickelt.

Zentraler Bestandteil: eigene Praxisprojekte

Im Anschluss an das vierte Modul fand die sechsmonatige Umsetzungsphase statt, in der die Teilnehmenden die Projekte in ihren Schulen durchführten. Die Fortbildungsleitung blieb in dieser Zeit via E-Mail, Telefon oder über persönliche Gespräche oder Erinnerungsschreiben per Post kontinuierlich mit den Lehrkräften in Kontakt. Sie fragte nach dem Stand der einzelnen Projekte, bot Beratung an und verteilte Unterlagen, Materialien und Ergebnisse aus den vorangegangenen Modulen.

Folgende Projekte wurden entwickelt und erprobt:

  • Elterninformationsbroschüre zum Berufsorientierungskonzept der Schule
  • Elterninformationsabend "Vorträge und Thementische zum Übergang Schule – Beruf"
  • Informationsveranstaltung zur Berufsorientierung im Rahmen des Berufswahl-Unterrichts
  • Elternabend "Praktikum"
  • Unterrichtsmodul "Arbeitswelt der Eltern" im Lernbereich Lebensplanung und Berufsorientierung
  • Interaktiver Elternabend "Berufsorientierung – Rolle der Eltern – Girls-/Boys-Day"
  • Elternabende "Praktikums- und Berufswahl" und ein Berufsfindungstag mit Unterstützung der Eltern

Im Modul 5 wurden die Projekte ausgewertet. Ein Austausch über die Erfolge, Stolpersteine und Lösungsideen führte zur Diskussion der Zukunftsperspektiven ihrer Projekte. Ein allgemeines Feedback beendete die Fortbildungsreihe.

Die positiven Rückmeldungen in der abschließenden Auswertung bestätigten die Entscheidungen für die inhaltliche und methodische Gestaltung der fünf Module.

Erfahrungen

Für die Akquise der Teilnehmenden bedarf es einiges an Engagement. Die Inhalte und der modulare Aufbau der Fortbildung wurden von den Teilnehmenden gut gewertet. Es sollte Zeit und Raum vorhanden sein, um persönliche Erwartungen und Einstellungen sichtbar zu machen und auszutauschen. Der zeitliche Abstand zwischen den Modulen ermöglichte eine Auseinandersetzung mit den Inhalten und persönlichen Erfahrungen. Großes Interesse gab es an Praxisbeispielen, die vielfältige Handlungsansätze, auch zur Lösung struktureller Probleme, boten.

Hilfreich fanden die Teilnehmenden die Arbeit in der kontinuierlichen Gruppe und den Austausch mit den "gleichgesinnten Einzelkämpfern und Einzelkämpferinnen".

Die Auseinandersetzung mit Gender und Berufsorientierung polarisierte: Einige Teilnehmende sahen sich bestätigt in der von ihnen als bedeutsam erachteten Thematik, andere lehnten die Auseinandersetzung mit dem Thema komplett ab.

Nützlich war die Projektentwicklung anhand eines detaillierten Fahrplans, inklusive einer Risikoanalyse, die Schwächen und Stärken des geplanten Projektes auflistete.

Empfehlungen

Eine verbindliche Teilnahme an allen Modulen ist unerlässlich, eine Präsenz von mindesten zwei Lehrkräften pro Schule ist wünschenswert. Die Unterstützung der Teilnehmenden durch die Schulleitung und das Kollegium sollte Grundvoraussetzung sein.

In der Umsetzungsphase sind der kontinuierliche Kontakt der Veranstaltungsleitung mit den Teilnehmenden und das Angebot der fachlichen Beratung und Unterstützung wichtig.

Die Fortbildungsreihe eignet sich auch für Förderschulen, Berufliche Schulen oder als Baustein in der Lehrkräfteausbildung.

Der Multiplikations-Ansatz und die Art der Dokumentation wurden im Sinne der Nachhaltigkeit gewählt, um auch bei veränderten Förderstrukturen die Ergebnisse an interessierte Fachkräften und Institutionen zu verbreiten und einen Nachahmungseffekt zu erzielen. Die Fortbildungsreihe wurde bundes- und landesweit multipliziert, publiziert und in Datenbanken aufgenommen.

Die Ergebnisse der Fortbildungsreihe wurden nach einem Jahr evaluiert und auf einem Fachtag vorgestellt. Der Multiplikations-Ansatz wird auch in anderen Bereichen der Elternarbeit umgesetzt, z.B. in der Schulung von Bildungsbeauftragten aus Migranten- und Migrantinnen-Organisationen sowie Honorar-, Fachkräften und Studierenden.

Weiterführende Informationen

Das Regionale Übergangsmanagement Marburg-Biedenkopf wurde von Mai 2008 bis September 2012 von im Rahmen des Programms "Perspektive Berufsabschluss" vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds der Europäischen Union gefördert.

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