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"Alle Jugendlichen verlassen die Schule mit einem Anschluss". Transparenz schaffen - Übergänge sichtbar machen mit der Datenbank MuBiGG
Nicole Kröcker (Kreis Groß-Gerau) und Bianca Lenz (INBAS GmbH)
Transparenz über die Übergänge der Schulabgängerinnen und -abgänger zu schaffen und jedem Einzelnen eine Anschlussperspektive zu bieten, ist eines der Ziele der Berufswegplanung im Kreis Groß-Gerau. Mit Hilfe einer Monitoringdatenbank wird der Übergang aller Jugendlichen abgebildet und – im Bedarfsfall – eine engmaschige Begleitung organisiert.
Im Rahmen der Berufswegplanung sind 2002 Standards für eine bessere Gestaltung der bildungsbiographischen Übergänge erarbeitet und in einem Abstimmungsprozess verbindlich implementiert worden. Mit Beteiligung an der hessischen OloV-Strategie wurden sie weiter ausgebaut und verbessert.
Zentrale Zielsetzungen der Berufswegplanung im Kreis Groß-Gerau
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Sicherstellung, dass jede Schülerin und jeder Schüler die Schule mit einer gesicherten Anschlussperspektive verlässt.
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Die Anschlussperspektive - ein weiterführendes Bildungsangebot oder Qualifizierung, ein Ausbildungs- oder Arbeitsplatz - schließt sich für alle Jugendlichen möglichst passgenau und nahtlos an (im Anschluss an Sekundarstufe I).
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Der Ablauf ist strukturiert und für alle betroffenen Institutionen - wie allgemeinbildende und berufliche Schule, Agentur für Arbeit, Jobcenter, Kompetenzagentur, Träger der Jugendberufshilfe - transparent.
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Durch die Evaluation des Prozesses werden Lücken im regionalen Angebot sichtbar, der Verbleib der Schulabgängerinnen und -abgänger wird transparent und jede Schule kann die Nachhaltigkeit ihrer Laufbahnberatung und der Berufswegplanung beurteilen.
Wie erreichen wir diese Ziele?
Zentrales Instrument ist die MuBiGG, eine Datenbank, in der die Informationen zum Monitoring und Bildung im Kreis Groß-Gerau erfasst und deren Ergebnisse zur bedarfsgerechten Steuerung der Angebote im Übergang Schule-Beruf genutzt werden. Durch die Verbleibserfassung der Jugendlichen zwei bis drei Wochen nach dem Übergang in ein weiterführendes Angebot sollen mittelfristig keine Jugendlichen im Kreis Groß-Gerau mehr "verloren gehen".
Die Berufswegplanung im Kreis Groß-Gerau besteht aus mehreren Elementen, die MuBiGG ist ein Baustein in dieser Systematik. Unterstützt durch einen begleitenden Informations- und Beratungsprozess der Jugendlichen, ihrer Eltern und der Lehrkräfte sowie durch eine Abstimmung zwischen den regionalen Akteuren im Übergang Schule-Beruf, können die Ziele erreicht werden.
Wie einzelne Elemente der Berufswegplanung rund um die MuBiGG ineinandergreifen stellen wir Ihnen im Folgenden anhand eines Schuljahreszyklus dar: Ablaufdarstellung im Überblick (PDF 29KB).
Der Informationsprozess beginnt
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Im Herbst finden an jeder Schule Infoveranstaltungen statt, in der die weiterführenden Schulen ihre Schulformen Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften der abgebenden Schulen vorstellen. Je nach Schule nehmen auch Vertreterinnen und Vertreter der Kammern oder des Gewerbevereins teil.
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Ein Info-Ordner mit allen Übergangsmöglichkeiten wird jährlich in aktualisierter Form von den Beratungsstellen und der Berufsberatung der Arbeitsagentur für alle Schulen zusammengestellt (Download des Info-Ordners 1012 (PDF 3.5MB) Abruf am 09.02.2012).
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Die beiden beruflichen Schulen im Kreis Groß-Gerau veranstalten Anfang Februar einen Tag der offenen Tür, an dem Jugendliche und ihre Eltern die Schulen besuchen und ganz praktisch die verschiedenen Angebote und Berufsbilder kennenlernen können.
Das Anmeldeverfahren beginnt, die Übergänge konkretisieren sich
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Die Klassenleitungen der Vorabgangs- und Abgangsklassen geben Empfehlungen und beraten ihre Schülerinnen und Schüler über die individuellen Übergangsmöglichkeiten.
- Unklare Fälle - Jugendliche, deren Übergangsperspektive noch ungenau ist, werden über einen Tendenzbogen (Download des Tendenzformulars (PDF 20KB) Abruf am 09.02.2012) von der Klassenleitung identifiziert.
- In sogenannten Tendenzsitzungen werden in jeder Schule mit Schulleitung, Berufsberatung der Agentur für Arbeit, Schulsozialarbeit, Kompetenzagentur und den sog. "OloV-Beauftragten", d.h. den Schulkoordinationen Berufsorientierung der jeweiligen Schulen, im Frühjahr alle Schulabgängerinnen und -abgänger, deren Perspektive noch unklar ist und die davon bedroht sind die Schule "unversorgt" zu verlassen, besprochen. Eine realistische Perspektive für den Einzelfall wird gemeinsam erarbeitet und ein "Kümmerer" festgelegt. (Beispiele: Es wird für einen Jugendlichen mit der Perspektive "Betriebliche Ausbildung" ein Beratungsgespräch mit der Berufsberatung der Agentur für Arbeit terminiert. Jugendliche, die noch eine individuelle Begleitung bei der Suche nach einer Ausbildungsstelle benötigen, können Unterstützung von den Beratungsstellen "Ausbildung und Arbeit" erhalten).
Die Einpflege in die regionale Monitoringdatenbank beginnt
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Die Schulkoordinationen Berufsorientierung stellen sicher, dass die Daten aller Schulabgängerinnen und -abgänger (aus den Jahrgangsstufen 8, 9 und 10) ihrer Schule aus der Lehrer- und Schülerdatenbank (LUSD) in die Access-basierte Datenbank MuBiGG importiert werden (1. Erhebungszeitpunkt MuBiGG). Hierbei ist der Schutz der personenbezogenen Daten dadurch gewährleistet, dass jede Schule nur ihre Daten sieht. Die Jugendlichen und ihre Eltern werden zu Beginn des Berufswegplanungsprozesses in einem Elternbrief informiert und um ihr schriftliches Einverständnis für diesen Prozess gebeten.
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Bis Ende April, nach Ablauf der Anmeldefristen bei den weiterführenden allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen, werden von den Schulkoordinationen BO die erwarteten Schulabschlüsse und die Übergangs-Empfehlungen aller abgehenden Schülerinnen und Schüler eingepflegt (2. Erhebungszeitpunkt MuBiGG).
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Bis Ende Mai werden die Anmeldelisten der aufnehmenden Schulen vom Staatlichen Schulamt abgerufen und die Daten eingepflegt (3. Erhebungszeitpunkt MuBiGG).
Schülerströme "kanalisieren"
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Die OloV-Regionalkoordination wertet gemeinsam mit der Ansprechperson Berufsorientierung im Staatlichen Schulamt die vorliegenden Daten aus.
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Anfang Juni werden gemeinsam mit dem Staatlichen Schulamt, den beiden beruflichen Schulen, der Berufsberatung der Agentur für Arbeit und dem Jobcenter die Platzzahlen nach Bedarf und vorhandenem Angebot abgeglichen. Es wird nach Alternativen gesucht und unter Umständen auch über die Erhöhung der Angebotszahlen abgestimmt. "Falschmeldungen" werden ebenfalls besprochen und verabredet, wer dies mit der abgebenden Schule kommuniziert.
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In der Datenbank können die Schulkoordinationen für ihre Schule nun filtern, welche Schülerin bzw. welcher Schüler wo angenommen wurde und für welchen nicht Aufgenommenen nach Alternativen gesucht werden muss.
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Die alternativen Übergangswege, die tatsächlich erreichten Schulabschlüsse aller Jugendlichen und ggf. abgeschlossene Ausbildungsverträge werden bis zu den Sommerferien in die Datenbank eingepflegt (4. Erhebungszeitpunkt MuBiGG).
Die Verbleibsermittlung nach den Sommerferien
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Zwei bis drei Wochen nach den Sommerferien ruft das Staatliche Schulamt die tatsächlich eingemündeten Jugendlichen bei den aufnehmenden Institutionen ab. Die Listen werden in die Datenbank eingepflegt (5. Erhebungszeitpunkt)
- Jetzt kann auch gefiltert werden, wie viele Abgängerinnen und Abgänger direkt ins duale System eingemündet sind.
- Die Schulkoordinationen werden danach vom Schulamt beauftragt, den Verbleib der Jugendlichen, der nicht aus den Listen hervorging, eigenverantwortlich zu recherchieren.
- Jugendliche, deren Verbleib weiterhin unklar ist bzw. die in kein weiterführendes Angebot eingemündet sind, werden von den Beratungsstellen "Ausbildung und Arbeit" (Bundesmodellprogramm "JUGEND STÄRKEN- Aktiv in der Region") unter Zusammenarbeit mit allen relevanten Institutionen identifiziert. Bei Bedarf wird ihnen eine individuelle Beratung und Begleitung angeboten.
- Jede Schule kann ihre Ergebnisse selbst auswerten und schulintern evaluieren. Die für die Region relevanten Daten der Schülerströme werden nach den Herbstferien in einer Gesamtauswertung zusammengestellt.
Erste Bewertung und Ergebnisse der MuBiGG
Seit 2006 existiert eine auf MS-Excel-basierte Datenbank, die jedoch keine brauchbare Auswertung ermöglichte. Erst 2009 konnte - aus OloV-Mitteln – eine Access-basierte Datenbank programmiert werden, die 2010 noch einmal überarbeitet wurde, so dass erstmalig für das Schuljahr 2010/2011 eine vollständige Auswertung (Auswertung MuBiGG November 2011 (PDF 175KB)) vorgenommen werden konnte. Dies und die rege Beteiligung der Schulkoordinationen Berufsorientierung - sie pflegten 2647 Schülerinnen und Schüler in die Datenbank ein – ermöglichte es, brauchbare Daten zu generieren. Diese Daten können nun in den verschiedenen Gremien, mit Blick auf die Strukturen und Bedarfe, diskutiert werden.
Gegenüber früher spekulieren wir nicht mehr, wir wissen nun: Im Kreis Groß-Gerau gab es im Herbst 2011 noch 226 Jugendliche, deren Verbleib unbekannt ist. Dies entspricht 7 Prozent aller abgehenden Jugendlichen aus Schulen mit den Bildungsgängen Haupt- und Realschule und Integrierten Gesamtschulen im Kreis Groß-Gerau. Die Mitglieder der regionalen OloV-Steuerungsgruppe arbeiten daran, diese Zahl weiter zu reduzieren und künftig verlässlich alle Jugendlichen im Übergang zu unterstützen.
Kontinuierliche Weiterentwicklung
In 2012 werden die Schulen für Lernhilfe in die MuBiGG aufgenommen, um die Bedürfnisse dieser Jugendlichen in der Region transparent zu machen. Des Weiteren werden die Validität der Daten und die Auswertungsmöglichkeiten durch kleinere Neuprogrammierungen in der Datenbank verbessert.
Zielsetzung ist die nachhaltige Nutzung der MuBiGG. Sie soll auch über den aktuellen Finanzierungszeitraum bis 2013 hinaus dauerhaft genutzt werden. Die hessenweite OloV-Strategie, mit den zusätzlichen personellen und finanziellen Ressourcen sowie den zur Verfügung gestellten Deputatsstunden für Lehrkräfte, hat die Akzeptanz der MuBiGG als Erfassungsinstrument bei den Schulen deutlich verbessert. Eine Einstellung oder Reduzierung dieser Ressourcen könnte die Anwendung und qualitative Weiterentwicklung des Instruments gefährden, da die erforderlichen zeitlichen Ressourcen nicht ehrenamtlich von den Schulen geleistet werden könnte.