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Berufe zum Anfassen Teil 1: "Handwerk live" in Wiesbaden

Am Tag des Handwerks findet in Wiesbaden seit 2013 ein Aktionstag unter dem Motto "Handwerk live" im Berufs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer statt. In Teil 1 unserer Miniserie "Berufe zum Anfassen — Ausbildungsmessen als Beitrag zur Berufsorientierung" berichtet Gregor Schneider, Bildungsberater der Handwerkskammer Wiesbaden, im Interview über den "Mitmachtag" im September 2017.

M. Sittig: Am 16.09.2017 fand "Handwerk live" zum vierten Mal statt. Was ist das Besondere an Ihrem Veranstaltungsformat?

G. Schneider: "Handwerk live" ist ein Tag des Handwerks, es ist Handwerk zum Anfassen! Es ist keine Berufsmesse und keine Ausbildungsmesse. Die Besonderheit bei dieser Veranstaltung liegt darin, dass die Besucherinnen und Besucher die verschiedenen Stationen, die Gewerke, ausprobieren dürfen. Dass sie einfach mal mit den Materialien in Berührung kommen und mit potenziellen Ausbildungs- und Praktikumsbetrieben vor Ort ins Gespräch kommen. Wir haben das bewusst nicht wie eine Ausbildungsmesse konzipiert, sondern als Praxistag.

Insgesamt waren diesmal zwölf Ausbildungsberufe vertreten. Wir haben offene Werkstätten, in diesem Jahr Dachdecker, Frisöre, KFZ-Technik, Metalltechnik, Raumausstatter, Sanitär - Heizung - Klima, Steinmetze, Tischler, Bau- und Straßenbau, der Elektrobereich, Maler und Lackierer, Schornsteinfeger, Rollladen- und Sonnenschutztechniker und die Gebäudereiniger. Darüber hinaus war die Ausbildungsberatung der Handwerkskammer Wiesbaden, die Berufsberatung der Agentur für Arbeit Wiesbaden, das Job-Navi, die Ausbildungsagentur und das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft vor Ort.

Zielgruppe sind alle, die sich für einen Ausbildungsberuf im Handwerk interessieren und sich noch nicht zu hundert Prozent sicher sind. Denen geben wir die Möglichkeit, es einfach auszuprobieren. In der Regel sind die teilnehmenden Jugendlichen im 8. bis 10. Schuljahr, wenn es u.a. ums Praktikum geht. Da haben wir zwei Situationen: Die einen wissen noch nicht, was sie wollen, die anderen sind auf der Suche nach einem Ausbildungsbetrieb und haben Ende September unter Umständen noch die Möglichkeit, einen Betrieb zu finden, der sie ausbilden würde.

Was war denn die Intention, diese Veranstaltung zu entwickeln?

Wir wollen einen Beitrag zur Lösung der Nachwuchsprobleme im Handwerk leisten. Wir versuchen über diese Schiene die Attraktivität des Handwerks darzustellen und auch den Eltern zu zeigen, wie modern das Handwerk ist. Damit die Entscheidung getroffen wird: "Ja, mach ruhig eine Ausbildung im Handwerk, und danach kannst du entscheiden, wie es für dich weiter gehen soll". Entweder mit einer Weiterbildung in Form von einem Meisterkurs oder nach dem Gesellenbrief erst einmal ganz normal im Handwerk arbeiten. Zur Information über diese Aufstiegswege haben wir auch die Bildungsberater vor Ort dabei.

"Wenn man es ausprobiert und feststellt, das passt zu mir, hält man auch die Ausbildungszeit durch."

Wie beziehen Sie die Eltern mit ein?

Zu "Handwerk live" gehört auch, dass wir die Werbetrommel rühren. Ich gehe beispielsweise persönlich in die Schulen, nehme an Elternabenden teil und halte einen kleinen Vortrag über das duale Ausbildungssystem. Die Eltern wollen natürlich, dass ihre Kinder den höchstmöglichen Schulabschluss erreichen, sie sollten aber trotzdem die Möglichkeit erhalten, nach dem Schulabschluss auch eine Ausbildung im Handwerk zu machen. Bei manchen ist es Liebe auf den zweiten Blick. Wenn man es ausprobiert hat und feststellt, das passt zu mir, dann hält man auch die Ausbildungszeit durch.

Die Eltern sind im Grunde genommen die Entscheider, sie empfehlen den Kindern, was sie machen sollten. Wenn die Eltern immer nur sagen "Schule, Schule, Schule", aber das Kind ist schulmüde oder nicht leistungsbereit oder – auch das kommt vor – nicht leistungsfähig, dann braucht dieser Personenkreis eine Alternative. Deshalb ist mein Credo, grundsätzlich den höchstmöglichen Schulabschluss zu erreichen, aber darauf aufbauend eine Ausbildung zu machen. Wenn dann jemand noch genug Energie und Ausdauer hat und auch die Kosten in Kauf nimmt, kann man immer noch ein Studium anschließen. Wenn man seinen Meister gemacht hat, gilt dies übrigens auch als Zugangsberechtigung zur Hochschule. Oder man macht nach der Ausbildung noch das Abitur bzw. Fachabitur und studiert dann. In jedem Fall ist mit der Ausbildung ein gesundes Fundament gegossen, auf das man aufbauen kann. Denn was passiert, wenn ich das Studium nicht schaffe? Dann habe ich wenigstens eine Ausbildung. Dann falle ich weich und kann mein Geld verdienen, arbeiten oder Fortbildungen besuchen. Wenn dagegen z. B. ein Maschinenbaustudent gleich nach dem Abitur an die Hochschule geht und dann sein Studium nicht schafft, ist er häufig schon Mitte zwanzig und hat dann nichts. Und dann geht's wieder zurück, und letzten Endes landen sie dann auch in einer Ausbildung. Das Ganze hätten sie früher haben können, und auch schneller, indem sie erst eine Ausbildung machen und dann das Studium.

Können Sie ein paar Beispiele nennen, wie die Jugendlichen auf der Veranstaltung das Handwerk kennen lernen können?

Beim letzten Mal hatten zum Beispiel die Dachdecker einen Stand aufgebaut, da konnte man ein Schieferherz klopfen. An den Ständen sind immer die Auszubildenden dabei, so dass junge Leute mit jungen Leuten reden und nicht die gestandenen Ausbildungsmeister. So kann der Dachdeckerlehrling selbst von seiner Arbeit berichten. Das ist dann authentisch. Die sind in ihrer Arbeitskleidung da, sodass man erkennt, das ist ein Lehrling in dem jeweiligen Ausbildungsberuf.

"An den Ständen sind immer die Auszubildenden dabei, so dass junge Leute mit jungen Leuten reden."

Im Frisörbereich kam man ebenfalls mit Auszubildenden in Kontakt, konnte sich die Haare frisieren oder Fingernägel lackieren lassen. Im KFZ-Bereich konnten die Besucher einen Radwechsel auf Zeit durchführen, das Ganze wurde mit kleinen Give-Aways prämiert. Im Metallbereich durften die Besucher sich mit den vorgefertigten Materialien in Handarbeit eine Kupferrose und eine kleine Vase herstellen. Die Raumausstatter hatten als Muster einen Sessel, dass man mal sieht, wie so ein Sessel aufgepolstert wird, welches Werkzeug und welche Materialen benutzt werden. Im Bereich Sanitär-Heizung-Klima wurden verschiedene Rohrverbindungen erklärt und man durfte das ausprobieren. Gemeinsam mit dem Schornsteinfeger wurden Messungen an Heizgeräten durchgeführt. Bei den Steinmetzen konnte man mit Hammer und Meißel und anderen Geräten Steine bearbeiten. Im Tischlerbereich war auch ganz viel los: Da konnte man mit Dekupiersägen und Handsägen Holz bearbeiten, da wurden Mustersachen ausgeschnitten, alles zum Mitnehmen. Bau- und Straßenbau haben klassische Maurerarbeiten angeboten. Das Ausbildungszentrum der Bauwirtschaft auf dem benachbarten Gelände war mit seinen Räumlichkeiten und Baumaschinen beteiligt, sodass man sehen konnte, wie modern im Straßenbau gearbeitet wird. Der Elektrobereich hatte als Animation Glühbirnenwechsel auf Zeit aufgebaut, da durfte man mit dem PC arbeiten. Die Bauleute haben ein kleines Betonfigürchen gegossen, das konnte man im Maler-Lackierer-Bereich anmalen und mitnehmen. Bei der Rollladen- und Sonnenschutztechnik konnte man mit dem iPad einen Rollladen programmieren. Bei den Gebäudereinigern wurde man mit einer Arbeitshubbühne 20 Meter in die Höhe gefahren und konnte über Wiesbaden gucken. Denn wenn Gebäudereiniger mit solchen Maschinen im Außenbereich Fassaden reinigen, muss man auch in der Lage sein, mit so einem Steiger in die Höhe zu fahren.

"Es wird jedes Jahr mehr. Es kommen immer mehr Besucher."

Wir hatten eine Bühne aufbauen lassen, hatten eine Schulband und zwei professionelle Bands. Wir haben mit Mitmachaktionen Highlights gesetzt, z. B. konnte man mit einem Elektrofahrzeug mitfahren, Schmiedekunst wurde live vorgeführt. Dann hatten wir einen Segway-Parcours und einen Überschlagsimulator, bei dem die jungen Leute, wenn sie irgendwann den Führerschein haben sollten und wirklich das Auto aufs Dach legen, lernen konnten, wie man da aussteigt. Darüber hinaus wurde zweimal an diesem Tag eine Airbag-Sprengung durchgeführt, um zu zeigen, welche Kraft hinter so einem Airbag steckt, wenn der ausgelöst wird. Essen und Trinken natürlich, auch ganz wichtig.

Ich selbst habe einen Vortrag über das duale Ausbildungssystem gehalten, den ich schon einmal auf einem Elternabend gehalten hatte. Da hatte sich ganz speziell eine Schule angemeldet, die sich gewünscht hatten, dass die Schüler den Vortrag nochmal erleben. Also habe ich sie zu "Handwerk live" eingeladen.

Das klingt alles sehr spannend. Welche Resonanz bekommen Sie?

Jedes Jahr kommen mehr Besucher und letzten Endes haben wir ganz, ganz viele positive Rückmeldungen bekommen. Das Interesse der Schülerinnen und Schüler ist auch entsprechend. Und viele Eltern waren auch diesmal dabei. Sie sind im Grunde genommen die Türöffner für die Jugendlichen, sie geben Unterstützung, indem sie sagen: "Eine Ausbildung im Handwerk ist nicht verkehrt".

"Eine erfolgreiche Geschichte, mit der sich das Handwerk positiv präsentieren kann."

Wie lange gibt es die Veranstaltung schon? Und soll sie denn weitergeführt werden?

Ich mache das seit 2013, und seit 2014 an beiden Standorten in Wetzlar und Wiesbaden. Das ist eine erfolgreiche Geschichte, mit der sich das Handwerk wirklich sehr positiv präsentieren kann. Bei der Begrüßung waren in diesem Jahr eine ganze Reihe prominenter Vertreter der beteiligten Institutionen vertreten.

Ihr persönliches Fazit?

Ich kann nur sagen, ich mache das gerne. Es ist eine Riesenarbeit, das zu organisieren, aber mir persönlich macht es einen Riesenspaß, und ich freue mich auf das nächste Jahr.

Stand: 21.11.2017

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