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Rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit, Teil 2: Fallkonferenzen in Stadt und Landkreis Fulda

Christiane Herchenhein (Stadt Fulda) und Ulrich Nesemann (Landkreis Fulda)

Die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit am Übergang Schule und Beruf gewinnt zunehmend an Bedeutung. Daher wurde das Thema im Jahr 2018 erstmalig in das jährlich stattfindende OloV-Monitoring aufgenommen. Die Ergebnisse des Monitorings von 2019 zeigen, dass in der Hälfte der Regionen (14 von 28) Fallkonferenzen unter Beteiligung mehrerer Rechtskreise durchgeführt werden. Ferner zeigte sich, dass an diesen Fallkonferenzen verschiedene Institutionen, Rechtskreise und Schulformen beteiligt sind. Am häufigsten ist dabei die Zusammenarbeit zwischen allen drei Rechtskreisen – SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende), SGB III (Arbeitsförderung) und SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe). Beim Einbezug von Schulen sind häufiger abgebende als aufnehmende Schulen an den Fallkonferenzen beteiligt.

Neben der Berücksichtigung im Monitoring wurde die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit 2019 als neuer Qualitätsstandard MV10 in die OloV-Qualitätsstandards aufgenommen.

Auch wenig später verabschiedete „Bündnis Ausbildung Hessen für die Jahre 2020 bis 2024“ thematisiert die rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit. Insbesondere zu den Fallkonferenzen heißt es dort: „Fallkonferenzen aller beteiligten Akteure sollen verstärkt zur Übergangsbegleitung im Rahmen der regionalen OloV-Strategie eingesetzt werden und bei schwierigen Einzelfällen Standardprozedere werden“ (Bündnispapier, S. 8).

In Stadt und Landkreis Fulda werden Fallkonferenzen in der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit eingesetzt. Wir haben die beiden OloV-Regionalkoordinationen Christiane Herchenhein (Stadt Fulda) und Ulrich Nesemann (Landkreis Fulda) zu ihren Erfahrungen befragt.

Frau Herchenhein, Herr Nesemann, worum geht es bei der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit eigentlich?

Bei der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit geht es im Kern um die Verbesserung oder Optimierung der Unterstützungsangebote für Jugendliche im Übergang Schule – Beruf. Zur Erreichung dieses Ziels arbeiten die drei betroffenen Rechtskreise SGB II, III und VIII zusammen.

In Stadt und Landkreis Fulda war es hierzu gar nicht notwendig, eine neue Struktur zu etablieren, da die Kooperation zwischen den Arbeitsmarktakteuren in vielen Jahren gewachsen ist und daher eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bereits etabliert ist. Gerade im Bereich des Übergangs von der Schule in den Beruf gibt es durch die AG Jugendberufshilfe eine lange Tradition.

Die Zusammenarbeit wird auf verschiedenen Ebenen gelebt. Zum einen durch verschiedene Arbeitsgruppen und Arbeitskreise, hier sind die AG Jugendberufshilfe, die OloV-Steuerungsgruppe und der Unterarbeitskreis „Junge Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit“ zu nennen. Es gibt aber auch institutionelle Treffen zwischen der Agentur für Arbeit (Rechtskreis SGB III) und dem Jobcenter (Rechtskreis SGB II). Vor diesen Hintergrund sind die Fallkonferenzen zu sehen.

Die Fallkonferenzen wurden im Rahmen der Unterstützung für junge Geflüchtete entwickelt. Hier ging es insbesondere um die Schülerinnen und Schüler der InteA-Klassen. Aufgabe der Fallkonferenz ist es, übergreifend zu organisieren, dass es keinen Abschluss ohne ein Anschlussangebot gibt. Und zwar für jede Einzelne und jeden Einzelnen.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit in den Fallkonferenzen?

Die Fallkonferenzen werden mit allen beteiligten Institutionen durchgeführt. Das heißt konkret: Beteiligt sind die Schule, die Schulsozialarbeit, die Berufsberatung sowie die Fallmanagerinnen und -manager des Jobcenters. In regelmäßigen Arbeitssitzungen werden die Vorhaben miteinander besprochen und auch schriftlich festgehalten.

Die Steuerung des Gesamtprozesses erfolgt über die Geschäftsführung des „OloV-AK Junge Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit“ beim Landkreis Fulda, Fachdienst Kommunaler Arbeitsmarkt. Die Leitung der Konferenzen liegt bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit. Zu der Fallkonferenz gehören die Berufsberatung der Agentur für Arbeit, das Arbeitsmarktbüro für Geflüchtete Landkreis Fulda, das Jugendamt des Landkreises Fulda, die SGBII-U25-Vermittlung, die Maßnahmenplanung SGB II, InteA-Sozialpädag/inn/en sowie die Lehrkräfte der jeweiligen Schülerinnen und Schüler. Bei Bedarf ist die Runde erweiterbar.

Die Intensivklassen „InteA – Integration durch Anschluss und Abschluss“ sind ein Angebot für alle Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger ab 16 Jahren bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres an beruflichen Schulen zur Vermittlung grundlegender Kenntnisse der deutschen Sprache in Verbindung mit einem beruflichen Fachsprachenerwerb. Ziel der InteA-Klassen ist es flexible Übergänge in andere schulische Bildungsgänge zu ermöglichen und Zugänge zur Ausbildungs- und Berufswelt zu eröffnen. Die Schüler/innen der InteA-Klassen sind zum größten Teil Geflüchtete und Jugendliche mit einem Migrationshintergrund.

Bei einer Fallkonferenz wird für jede einzelne Schülerin und jeden einzelnen Schüler je nach Begabung, Interessen, Sprachniveau, Schulnoten etc. eine passgenaue Anschlussperspektive erarbeitet. Dies geschieht im gegenseitigen Austausch mit allen an den Konferenzen involvierten Personengruppen.

Die Unterarbeitsgruppe des Arbeitskreises „Junge Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit“ trifft sich in jedem Jahr einige Monate vor Schuljahresende für eine erste Konferenz. Unmittelbar vor Ende des Schuljahres findet eine zweite Konferenz statt, um die Planung für die Schüler/innen final zu besprechen. Die Treffen finden bei der Bundesagentur für Arbeit oder zuletzt an der Richard-Müller-Schule Fulda, als InteA-Schwerpunktschule im Landkreis Fulda, statt.

Die Ergebnisse der Konferenz werden zu Controllingzwecken dokumentiert und sind allen Partnern ersichtlich. In das Controlling der Aktivitäten fließt ebenfalls eine Ex-Ante Betrachtung über den Verbleib der Schüler/innen ein halbes Jahr nach Abschluss des InteA-Unterrichts ein. Die Ergebnisse der InteA-Konferenzen werden in Form einer Statistik unter anderem beim AK Junge Flüchtlinge präsentiert. Der Datenschutz wird durch das Einholen einer Einverständniserklärung zur Weitergabe der Daten an die Bundesagentur für Arbeit und das Kreisjobcenter, welche die Schülerinnen und Schüler ab 16 Jahren bzw. die Erziehungsberechtigungen bei Schülerinnen und Schülern unter 18 Jahren zu Beginn des Schuljahres unterzeichnen, gewährleistet.

Welche Empfehlungen für die Zusammenarbeit zwischen den Rechtskreisen können Sie geben?

Folgende drei Punkte können wir vor dem Hintergrund unserer Erfahrungen als Empfehlung an andere Regionen weitergeben:

  1. Am wichtigsten ist es, alle beteiligten Akteure an einen Tisch zu holen. Dabei kam uns die Einbindung der Akteure in OloV zu Gute. Da die OloV-Strukturen in unserer Region seit vielen Jahren praktiziert werden, war es eine Selbstverständlichkeit auch hier die Beteiligten zu informieren und gemeinsam zu vereinbaren, dass man diese Fallkonferenzen durchführen will. Nennenswerte Herausforderungen oder Probleme traten dabei nicht auf.
     
  2. Bei der Zusammenarbeit zwischen den Rechtskreisen müssen die gemeinsamen Ziele und der gemeinsame Nutzen klar sein.
     
  3. Die Zusammenarbeit sollte partnerschaftlich gestaltet sein und nicht von einer der Institutionen dominiert werden.

Wie sehen die Pläne für die Zukunft aus?

In Zukunft ist es in der Region erforderlich, dass im Rahmen des Arbeitsmarktgeschehens die Einbeziehung der SGBVIII-Träger noch verstärkt wird.

Frau Herchenhein, Herr Nesemann, vielen Dank für dieses Interview.

Stand: 22.04.2020

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