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Perspektiv-Wechsel für Schulen und Betriebe: Das Netzwerk Pro Praktikum in Landkreis und Stadt Kassel

Ulrike Beutnagel / Andrea Nispel

Das Vorhaben „Gründung eines Netzwerks Pro Praktikum“ wurde 2016 in die Regionale Strategie für den Übergang Schule – Beruf im Landkreis und der Stadt Kassel aufgenommen, um die professions- und institutionsübergreifende Vernetzung zu fördern. Wie es gelang, die unterschiedlichen Perspektiven der Netzwerkpartner in einen gemeinsamen Entwicklungsprozess einzubinden und im Lauf der Jahre eine stabile Struktur für die kontinuierliche Bearbeitung des vielschichtigen Themas „Praktika“ zu etablieren, schildert dieser Artikel.

Das Praktikum hat eine Schlüsselposition in der Beruflichen Orientierung an allgemeinbildenden Schulen. Jugendlichen bietet es erste Einblicke in die Arbeitswelt, und es unterstützt ihre Berufswahlentscheidung. Betriebe können potenzielle Auszubildende kennenlernen. Das Netzwerk Pro Praktikum will Schülerinnen und Schülern möglichst positive erste Erfahrungen in der Berufswelt ermöglichen. Dazu gehört, die Qualität der Praktika und eine gute Praxis in Schule und Betrieb voranzutreiben. Die verschiedenen Beteiligten sollen für das spezifische Potenzial dieses Instruments der Beruflichen Orientierung sensibilisiert werden. Ein weiteres Ziel ist die Erhöhung des regionalen Angebots an Praktikumsplätzen insbesondere in Kleinbetrieben des Handwerks, des gewerblich-technischen Bereichs, in Grünen Berufen und Gesundheitsberufen sowie im Handel.

Eine Vorbereitungsgruppe gestaltet die Netzwerkveranstaltungen.

Im Rahmen der Erarbeitung der Regionalen Strategie wurde eine Vorbereitungsgruppe für das Teilziel „Netzwerk Pro Praktikum“ gegründet. Beteiligt sind seitdem, neben der OloV-Regionalkoordinatorin des Landkreises Kassel als Netzwerkverantwortlicher, die Leiterin des Übergangmanagements der Stadt Kassel und die beiden Ansprechpartner für Berufliche Orientierung (AP BO) für Sek I-Schulen und für das Gymnasium. Nach zwei Jahren wurde die Vorbereitungsgruppe um Vertreterinnen und Vertreter der HWK (Handwerkskammer) und der IHK (Industrie- und Handelskammer) erweitert.

Die Vorbereitungsgruppe erarbeitet für jede Netzwerkveranstaltung eine Ablaufplanung und bestimmt, welche Themen im Mittelpunkt stehen sollen und wie die Vernetzung der Teilnehmenden gefördert werden kann. Jeder Workshop des Netzwerks wird mit einem Fragebogen abgeschlossen. Zur Vorbereitung der nächsten Veranstaltung wird die Auswertung der Rückmeldungen der Teilnehmenden zur Grundlage genommen. Sie spiegelt, welche Themen und welche didaktischen Gestaltungsmerkmale die Netzwerkmitglieder favorisieren.

An den Netzwerkveranstaltungen selbst nehmen vor allem Personen aus der operativen Ebene der beteiligten Institutionen teil: Lehrkräfte aus allgemeinbildenden und beruflichen Schulen, Vertreterinnen und Vertreter der Kammern sowie von ortsansässigen Betrieben, Fachkräfte aus dem Übergangsmanagement der Stadt Kassel und der Berufseinstiegsbegleitung, Mitarbeitende der Arbeitsagentur sowie Vertreterinnen und Vertreter der Elternbeiräte.

Die Vorbereitungsgruppe und die Veranstaltungen des Netzwerks Pro Praktikum, die zwei Mal im Jahr stattfinden, werden extern beraten und moderiert.

Zweimal jährlich finden Netzwerkveranstaltungen statt.

Im April 2018 gab es eine Gründungsveranstaltung mit über 50 Teilnehmenden. Sie fand in einem großen Saal der Handwerkskammer statt und wurde vom Hauptgeschäftsführer mit einem Beitrag zur Bedeutung der Praktika aus Sicht von Betrieben eröffnet. Es schloss sich ein Input des AP BO Sek I an, in dem die verschiedenen Praktika aus der Perspektive von Schule vorgestellt wurden. Die Perspektive von Schülerinnen und Schülern wurde in einem kurzen Video gezeigt, das in einer Kasseler Schule in Kooperation mit dem Übergangsmanagement der Stadt Kassel entstanden war. Danach bekamen die Teilnehmenden die Gelegenheit, ihre Perspektiven und vor allem auch offenen Fragen und Themen mitzuteilen.

Damit beim Austausch in Arbeitsgruppen möglichst alle institutionellen Perspektiven vertreten waren (Schule, Betriebe, vermittelnde Institutionen, Kammern, Übergangsmanagement und andere), gab es je nach Gruppenzugehörigkeit verschiedenfarbige Namensschilder. Die Teilnehmenden wurden gebeten, sich möglichst bunt, also mit Angehörigen verschiedener Gruppen an die Tische zu setzen. Wie in einem Worldcafé konnten 20 Minuten lang Fragen und Ideen auf die Tischdecken geschrieben werden. Diese wurden zum Abschluss durch die Netzwerkkoordinatorin und die Moderatorin zusammengefasst.

Um die große Vielfalt der Antworten zu würdigen und sicherzustellen, dass keine der Ideen und Themen verloren gingen, gab es eine umfassende Auswertungssitzung im Rahmen der Vorbereitungsgruppe. Dabei wurden die Beiträge acht Themen zugeordnet, die in den nachfolgenden Workshops des Netzwerks immer wieder aufgenommen werden.

In den Workshops sollen alle Perspektiven zu Wort kommen.

Das Ergebnis dieser Auswertung wurde im ersten Workshop nach der Auftaktveranstaltung präsentiert. Die Themenschwerpunkte sind: „Praktikumsreife von Jugendlichen“, „Inklusion“, „Kommunikation zwischen Schulen und Betrieben“, „Organisation von Praktika“, „Erwartungen von Betrieben an Praktikantinnen und Praktikanten“, „Berufs- und Studienorientierung an Gymnasien“ sowie die Beobachtung, dass „Jugendliche gerne in Schulen bleiben wollen“ statt in eine betriebliche Ausbildung einzumünden, sowie der damit zusammenhängende Themenschwerpunkt „Eltern“.

Dieser erste Workshop nach der Auftaktveranstaltung war ähnlich aufgebaut wie die Auftaktveranstaltung, d.h. es sollten gezielt unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen. Es gab einen Input zur Gestaltung von Beruflicher Orientierung sowie zur Bedeutung von Praktika im Schulversuch BÜA (Berufsfachschule zum Übergang in Ausbildung). Ein mittelständisches Unternehmen war eingeladen, um seine Erfahrungen darzustellen. So konnten die Vertreterinnen und Vertreter von Schulen und Betrieben ihre unterschiedlichen Perspektiven auf Praktika und deren Bedeutung in der Beruflichen Orientierung und die Akquise von Auszubildenden kennenlernen. Und wieder wurde die Vernetzung der Beteiligten ermöglicht, während einer Pause und in informeller Art und Weise, diesmal ohne eine formale Ergebnissicherung.

Es folgten zwei weitere Workshops des Netzwerkes im Frühjahr und Herbst 2019. Methodisch wurde auf den Erfahrungen aus den ersten Veranstaltungen aufgebaut. Der Austausch der Akteure und das Kennenlernen der unterschiedlichen Perspektiven standen wieder im Mittelpunkt. Im Frühjahrsworkshop wurde ermöglicht, dass sich Vertreterinnen und Vertreter von Schule einerseits und von Betrieben und Kammern andererseits innerhalb ihrer Gruppe über gute Praxis zur Vor- und Nachbereitung und zur Gestaltung von Praktika verständigen konnten: Dazu gab es moderierte Arbeitsgruppen, deren Ergebnisse im Anschluss präsentiert wurden. Und es gab wieder eine Möglichkeit für kleinere und mittlere Betriebe aus dem Handwerk ihre Anforderungen an Jugendliche im Praktikum darzustellen: eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern von drei Handwerksunternehmen, die in eine anregende Diskussion mit den Teilnehmenden des Netzwerks mündete.

Auch die Jugendlichen sind aktiv beteiligt.

Der vierte und bisher letzte Workshop galt wieder der themenorientierten Vernetzung, hatte aber eine neue Idee wirklich werden lassen: Schülerinnen und Schüler schilderten ihre Praktikumserfahrungen, und Auszubildende aus Betrieben reflektierten, welche Bedeutung das Praktikum bei ihrer Entscheidung für einen Beruf und einen Betrieb hatte. Dafür wurde ein sehr großer Raum gebraucht: für fast 80 Teilnehmende und fünf Stände auf einem Marktplatz, an dem Jugendliche aus vier Schulen und drei Betrieben beteiligt waren. In zwei Runden konnten die Teilnehmenden zwei der fünf Stände besuchen und mit den Jugendlichen diskutieren. Im Anschluss daran folgte eine zweite Runde in moderierten Arbeitsgruppen.

In der Planung für dieses Netzwerktreffen hatte sich die Vorbereitungsgruppe gefragt, welche zentralen Themen noch einmal besondere Aufmerksamkeit bekommen sollten und ergebnisorientiert bearbeitet werden könnten. Den Teilnehmenden des Workshops wurden fünf Themen für moderierten Arbeitsgruppen vorgeschlagen: „Vereinheitlichung von Praktikumsunterlagen“, „Erstellen einer (digitalen) Netzwerk-Landkarte“, „Inklusion“, „Berufsorientierung an Gymnasien“ und „Eltern in der Berufsorientierung“. Die Teilnehmenden bestätigten die Relevanz dieser Inhalte und diskutieren sie auch im Hinblick auf die Frage, ob sie zwischen den Workshops im Herbst und im Frühjahr dazu weiter zusammen arbeiten wollten. Von der Arbeitsgruppe Eltern, an der Elternbeiräte und die Kammern beteiligt waren, wissen wir, dass in der Zwischenzeit ergebnisorientiert gearbeitet wurde: Es ist ein Webinar „Elterninfoabend zur dualen Ausbildung“ entstanden, das im Juni 2020 online durchgeführt wurde. Die „Kommunale Koordinierung inklusive Bildung“ in der Stadt Kassel stellt eine bestehende Struktur zur Verfügung, die sich nun auch dem Thema Berufsorientierung zugewandt hat. Die anderen Arbeitsgruppen wollten ihre Arbeit im Frühjahrsworkshop 2020 fortsetzen. Dieser musste aber leider ausfallen.

Alle Netzwerkpartner sind Teil der weiteren Gestaltung ihres Austausches.

Grundlage für die Gestaltung der Netzwerktreffen sind die Rückmeldungen der Teilnehmenden aus den vorhergehenden Veranstaltungen. In Feedbackbögen wird jeweils mit offenen Fragen nach Rückmeldungen, Wünschen und Ideen gefragt. Der Rücklauf ist hoch. So kann die Vorbereitungsgruppe sehen: Was sind die Wünsche von Betrieben, von Berufsschule oder von Kammern? An diesen Rückmeldungen, die stets sehr konstruktiv und positiv waren, hat sich die Nach- und Vorbereitung orientiert. Die Auswertung der Feedback-Bögen wird allen Teilnehmenden im Nachgang auch zugesandt.

Auch bei der Wahl der Veranstaltungsorte wird darauf geachtet, alle beteiligten Netzwerkpartner als Gastgeber einzubinden: Die bisherigen Treffen fanden in der Handwerkskammer, im Schulamt, in einem professionellen Veranstaltungsort im Kulturbahnhof und in der Aula einer Schule statt.

Aufgrund der Kontaktbeschränkungen im Frühjahr 2020 musste der für Mai geplante Workshop ausfallen. Wir hoffen, dass wir im Herbst 2020 wieder ein analoges Treffen durchführen können. Dann soll die Vernetzung der verschiedenen Beteiligten durch Inputs und themenorientiertes Zusammenarbeiten in Gruppen wieder neu belebt werden.

Stand: 23.07.2020

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