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Berufe zum Anfassen Teil 2: "DO IT!" in Limburg
Die Ausbildungsmesse "DO IT!" in Limburg zeichnet sich durch besondere Praxisorientierung aus, sie bietet Jugendlichen die Gelegenheit, Berufe handlungsorientiert auszuprobieren. Dies war Anlass, sie in unserer Miniserie "Berufe zum Anfassen — Ausbildungsmessen als Beitrag zur Berufsorientierung" vorzustellen. Im Interview sprach Melanie Sittig von der Hessenweiten OloV-Koordination mit Mitgliedern des Organisationsteams über ihre Erfahrungen. Die "DO IT!" fand vom 18. bis 22. September 2017 zum dritten Mal statt.
M. Sittig: Was ist das Besondere an der "DO IT!"?
M. Herr: Die "DO IT!" ist eine Berufsbildungsmesse, bei der Berufe zum Anfassen eine große Rolle spielen. Ausrichter sind die Kreishandwerkerschaft Limburg-Weilburg, die IHK Limburg und die Arbeitsagentur. Im Organisationsteam ist auch das Staatliche Schulamt. Der zeitliche Rahmen ist aber anders als bei einer üblichen Messe: Die "DO IT!" läuft für die Schülerinnen und Schüler über fünf Tage. Anschließend findet am Sonntag der "Treffpunkt Ausbildung" statt, bei dem sich die Firmen darstellen und sich die Eltern mit ihren Kindern bei Firmen informieren können. Die "DO IT!" wird seit 2015 jährlich durchgeführt. Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler der Vorabgangsklassen.
S. Laux: Insgesamt wurden diesmal 52 Berufe dargeboten, die ausprobiert werden konnten. Die Schülerinnen und Schüler wählen im Vorfeld hieraus fünf Favoriten und können diese an jeweils einem Vor- oder Nachmittag auf der "DO IT!" handlungsorientiert ausprobieren.
In diesem Jahr gab es zusätzlich ein abendliches Rahmenprogramm. Das hatte für uns den Vorteil, dass die Infrastruktur, die ja relativ aufwändig aufzubauen ist, besser genutzt wurde. Zum anderen bekam man dadurch noch mehr Multiplikatoren in die Halle, denen wir abends das Thema Berufsorientierung und deren Bedeutung für unsere Region näher bringen konnten. So hatten wir am Montag und Mittwoch tolle Veranstaltungen in der Halle, mit 100 bis 250 Teilnehmenden aus Unternehmen und Leitungspositionen, die in der Lage sind an den entsprechenden Stellschrauben zu drehen, um das Thema Berufsorientierung in unserem Landkreis bzw. im Wirtschaftsraum Limburg – Weilburg – Diez voranzutreiben.
"Wir wollen, dass die Jugendlichen die Halle mit einem Aha-Erlebnis verlassen."
S. Laux: Hinter der "DO IT!" stehen engagierte Menschen aus Schulen, Unternehmen und Ehrenämtern, die sich das Thema Berufsorientierung zur Herzensangelegenheit gemacht haben. Mit der Zeit haben wir gelernt, dass man den Jugendlichen etwas Besonderes bieten muss, einen Event-Charakter muss die Messe haben, damit man sie begeistern kann. Wir wollen, dass sie die Halle schon mit einem Aha-Erlebnis betreten und nach Möglichkeit auch mit einem Aha-Erlebnis wieder verlassen. Dass sie Mama, Papa, Oma, Opa erzählen, was sie während dieser Woche Tolles erlebt haben. Und dass sie dann am Sonntag – dem Unternehmertag – Eltern oder Großeltern mitnehmen und unter dem Motto "Triff deinen neuen Boss", die zukünftigen Arbeitgeber hier in der Halle kennen lernen.
Dahinter steckt die Erkenntnis, dass Berufsorientierung unfassbar wichtig ist. Nicht nur für die Jugendlichen, auch für unsere Region. Weil wir sagen: Jeder junge Mann, jede junge Frau, die bei uns im Raum eine duale Ausbildung macht, wird wahrscheinlich hier heimisch werden. Sie werden eine Familie gründen, werden hier ihr Geld verdienen und ausgeben, sie werden die Region stärken und ihre Kinder werden in die Schulen gehen. Das duale System ist die Stütze unserer Gesellschaft und deswegen unfassbar wichtig, um die Wirtschaftskraft der Region zu erhalten. Natürlich braucht man auch Akademiker, aber auch für Schülerinnen und Schüler aus Gymnasien kann eine Ausbildung im dualen System der Beginn einer tollen beruflichen Karriere sein. Das kann ich als Schulleiter und als Vater von drei Kindern sagen.
"Wenn man etwas selbst ausprobiert, bleibt das länger hängen."
E. Schneider: Sehr viele Jugendliche können sich wenig oder gar nichts unter bestimmten Berufsbezeichnungen vorstellen und wissen kaum, welche Tätigkeiten und Aufgaben sie in den verschiedenen Berufen erwarten. Dieses Defizit lässt sich nicht nur durch Broschüren, Berufstests und Filme beseitigen. Die Vielfalt der Angebote, durch Arbeitsagentur und verschiedener herkömmlicher Ausbildungsmessen, kann schnell zu Verunsicherung oder gar Unentschlossenheit führen. Wenn jemand Hand anlegt, um selbst etwas auszuprobieren, bleibt dies viel länger hängen. Im Kurzpraktikum beim Bäcker musste man eine Brezel aus Teig flechten. Hierfür benötigt man auch ein wenig Geschicklichkeit. Der Teig fühlte sich kalt und klebrig an, auch dies waren Herausforderungen, die nicht jedem gefallen haben. So gelangten auch einige zu der Erkenntnis, dass dieser Beruf doch nicht der richtige ist. Es ist besser, wenn sie diese Erkenntnis bei der "DO IT!" gewinnen, als dass später ein Ausbildungsabbruch stattfindet.
M. Herr: Es geht im Grunde darum, dass bei diesen Mini-Praktika Schülerinnen und Schüler im wahrsten Sinne des Wortes mit den Berufen in Berührung kommen und dass sie die Berufe mit allen Sinnen begreifen können, um dann zu entscheiden, wäre das für mich ein Weg oder nicht.
M. Sittig: Was können Sie von der Organisation der "DO IT!" berichten?
E. Schneider: Die "DO IT!" bedarf einer sehr komplexen und intensiven Vorbereitung. Es müssen unglaublich viele Details berücksichtigt werden und zeitliche Abstimmungen stattfinden. Natürlich gab es auch Organisationsprobleme. Wir mussten z.B. über 3.000 Jugendliche, die aus verschiedenen allgemeinbildenden Schulen im Landkreis Limburg-Weilburg kamen, in die Kreissporthalle nach Limburg bringen. Dies bedeutete, dass wir von jeder Schule vom Westerwald bis nach Idstein die Schüler mit extra Bussen abgeholt haben. Hierfür gab es einen genauen Zeitplan, der eingehalten werden musste, damit die getakteten Minipraktika reibungslos verlaufen konnten. Durch unvorhersehbare Staus oder ausgefallene Busse gab es Überschneidungen, die kurzfristig gelöst werden mussten. Es reicht nicht aus, eine tadellose Organisation zu erstellen, es bedarf auch einer großen Portion Improvisation.
Um die Berufe optimal den Schülerinnen und Schülern vorzustellen und Hilfestellung leisten zu können, benötigen wir außerdem sehr viel Personal. Es konnten immer gleichzeitig fünf Jugendliche ein Praktikum belegen. Unternehmen und Selbständige musste dafür so viel Personal zur Verfügung stellen, dass jeder der 52 Messestände an fünf aufeinanderfolgenden Tagen mit drei Auszubildenden und jeweils einer Ausbilderin oder einem Ausbilder besetzt war. Kam es durch Krankheit zu Ausfällen, wurden dies auf dem kurzen Dienstweg von den Unternehmen und Selbständigen geregelt. Die Wirtschaft untereinander ist sehr gut vernetzt, sodass wir eine gute Truppe sind, die organisatorische Probleme relativ schnell und gut gelöst bekommt.
"Wir bilden die Berufswelt hier in der Halle eins zu eins ab."
S. Laux: Es sollte noch angemerkt werden, dass auch die Berufsschulen einen wesentlichen Beitrag leisten. Erstens unterstützen uns die Auszubildenden bei der Betreuung der Mini-Praktika. Zweitens können wir so auch technische Lernfelder unter realen Bedingungen zeigen. Beim Aufbau der "DO IT!" waren 40 Schülerinnen und Schüler der gegenüberliegenden Berufsschule involviert, die im Rahmen des Messe-Aufbaus ein handlungsorientiertes Projekt durchgeführt haben. Also nichts für die Tonne, sondern etwas, wo ein Termindruck dahinter steht, wo ein Kundenwunsch erfüllt werden muss, wo Ästhetik, Sauberkeit und Sicherheit eine Rolle spielen. Im Großen und Ganzen bilden wir die Berufswelt hier in der Halle eins zu eins ab, ohne dass großartig Geld fließt. Das ist einer der wesentlichen Garanten für den Erfolg dieser Messe. Ohne den Beitrag der beruflichen Schulen wäre das finanziell nicht zu stemmen.
M. Sittig: Welche Resonanz bekommen Sie von den Schülerinnen und Schülern, den beteiligten Schulen und Unternehmen?
E. Schneider: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt motivierte Jugendliche, die sich sehr interessiert zeigen und andere, die schon mit der Einstellung hierher kommen, egal was wir ihnen anbieten: "Das ist nichts für uns". Wir stellen aber auch fest, dass ein Besuch bei der "DO IT!" eine Win-Win-Situation sowohl für die Auszubildenden als auch für die Schülerinnen und Schüler ist. Die Auszubildenden begegnen den Jugendlichen auf Augenhöhe. Dies ist eine Besonderheit, wodurch sich Jugendliche viel mehr öffnen und interessieren. Es ist ein schönes Erlebnis, dies auf der "DO IT!" zu beobachten.
Neu waren in diesem Jahr die Zusatzangebote, z.B. ein Knigge-Kurs "Wie benehme ich mich richtig?" oder ein Angebot "Finde dich selbst!". Unternehmer haben gezeigt, welche Fächer wichtig sind und an welchen Stellen man ein bisschen intensiver lernen sollte. Das wird auch sehr gut angenommen. Manche Jugendliche – auch ganz interessant – stellen dabei fest, dass es nicht nur das Studium gibt. Denn im Moment meinen ja viele, wenn ich nicht studiere, bin ich kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Auch das konnten wir mit den Zusatzangeboten rüber bringen. Insofern war das eine sehr gute Sache.
"Die Rückmeldungen sind überwiegend positiv."
E. Kehr: Alles in allem sind die Rückmeldungen überwiegend positiv. Von meinen Schülerinnen und Schülern bekomme ich auf jeden Fall gespiegelt, dass es interessant ist. Dass es schön ist, selbst tätig sein zu dürfen und nicht nur einfach herumzugehen und sich Dinge anzuhören. Die Zahl der Anmeldungen ist über die letzten Jahre hinweg stark gestiegen – auch das spricht für sich.
M. Herr: Inzwischen sind aus allen Schulen mit Sekundarstufe I im Kreis Limburg-Weilburg die Vorabgangsklassen (bzw. ausnahmsweise in 2017 die Abgangsklassen) an der "DO IT!" beteiligt. Dazu kommt ein nicht unerheblicher Teil von Schülerinnen und Schülern der gymnasialen Oberstufe, aus dem beruflichen Bereich und aus dem allgemeinbildenden Bereich. Die Schulen geben uns die Rückmeldung, dass sie diese Veranstaltung für sehr wertvoll halten.
Wir bereiten die Teilnahme in den Schulen entsprechend vor. Auch die Zuordnung der Schülerinnen und Schüler zu den unterschiedlichen Praktika wird bereits in den Schulen gemacht. In diesen Prozess sind die OloV-Schulkoordinationen und die für Berufsorientierung verantwortlichen Lehrkräfte eingebunden. Wir steuern das über die Dienstversammlungen und informieren die Kolleginnen und Kollegen.
E. Schneider: Ich habe gestern mit zwei Unternehmern und einer Unternehmerin gesprochen. Die Rückmeldungen waren ähnlich. Es gab ganz unterschiedliche Schülerinnen und Schüler auf der "DO IT!", einige, die sich sehr interessiert gezeigt haben und andere, die nicht so richtig wussten, was sie dort sollten. Sehr positiv war jedoch, dass mindestens fünf dabei waren, die ein sehr starkes Interesse gezeigt haben. Sie werden auf jeden Fall ein Praktikum machen. Damit haben wir das Ziel erreicht, bei motivierten Schülerinnen und Schüler Interesse an einer Ausbildung zu wecken.
Wir hatten dieses Jahr auch eine Schule dabei, die erstmals die "DO IT!" kennengelernt hat. Die Jugendlichen und auch die Lehrkräfte waren total begeistert. Sie haben gesagt, wir hatten eigentlich vor, erst mal nur so zu schnuppern: "Mal gucken, was das überhaupt ist". Am Ende waren sie so begeistert, dass sie gar nicht mehr weg wollten. Die Aussage lautete: "Ganz toll, wir kommen auf jeden Fall wieder". Wir mussten sogar eine Ansage über das Mikrofon machen, dass die Jugendliche bitte von den Mini-Praktika an den Empfang kommen sollen, weil der Bus schon da war. Sie hätten gerne noch mehr ausprobiert und wollten gar nicht mehr weg.
"OloV schwingt überall mit."
M. Sittig: Wie ist die "DO IT!" in das OloV-Netzwerk eingebunden?
M. Herr: Innerhalb der OloV-Steuerungsgruppe ist die "DO IT!" immer wieder ein zentrales Thema. Dort werden organisatorische Dinge abgesprochen. Natürlich sind noch weitere Netzwerke notwendig, um die "DO IT!" zu organisieren und am Laufen zu halten, aber die enge Verzahnung erfolgt über die OloV-Steuerungsgruppe. Auch wenn es darum geht, wie wir das Konzept der "DO IT!" weiterentwickeln wollen. Ein Baustein ist z.B. noch die verstärkte Integration der Gymnasien oder die Frage, ob und wie man die Technische Hochschule Mittelhessen oder eventuell die Universitäten einbinden kann.
E. Kehr: Es gibt durchaus Überschneidungen zwischen den verschiedenen Steuerungsgruppen. Alle Ausrichter der "DO IT!", die sich im Lenkungsausschuss treffen, sind auch in der OloV-Steuerungsgruppe vertreten. Davon abgesehen ist das regionale OloV-Netzwerk auch explizit auf der Messe vertreten und organisiert z.B. einen Elternabend.
S. Laux: In der Tat haben wir eine so enge Verzahnung und Vernetzung, dass wir bei unseren Treffen nicht zwingend aus der Perspektive eines Lenkungsausschussmitgliedes oder eines OloV-Ausschussmitgliedes argumentieren. Wir sind alle ständig beieinander, ob das jetzt die IHK oder Handwerkskammer ist oder die Schulen. Das wird nicht bewusst zelebriert, sondern ist eigentlich ein Automatismus. Was vielleicht sogar das Wertvollere ist. Das heißt, dieses OloV-Konstrukt schwingt eigentlich überall mit und ist permanent dabei.
Stand: 26.02.2018