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Rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit, Teil 1: RoOF in Dietzenbach

Frau Hilz, Frau Appeldorn, Sie koordinieren gemeinsam das RoOF. Wie würden Sie in einem Satz erklären, worum es bei der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit geht? Warum war die Zusammenarbeit zwischen SGB II, III und VIII gerade für Dietzenbach sinnvoll?

Bei der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit geht es um passgenaue Hilfe unter einem Dach durch möglichst unbürokratische Abstimmung mehrerer Beteiligter. Dietzenbach weist eine hohe Dichte an Jugendlichen auf, die mit ihren multiplen Problemlagen eine Zielgruppe für die verschiedenen Rechtskreise gleichzeitig darstellen. Eine rechtskreisübergreifende Arbeit war notwendig, um diesen Jugendlichen möglichst unkomplizierte und bedarfsgerechte Unterstützung anbieten zu können.

Wie funktioniert das RoOF und welche Angebote haben Sie für die Jugendlichen?

Im RoOF – die Abkürzung steht für „Richtig orientiert im Kreis Offenbach“ – werden junge Menschen mit oder ohne Termin in Empfang genommen und an die Mitarbeitenden der Rechtskreise weitervermittelt. Dietzenbacher Jugendliche, die zum ersten Mal ins RoOF kommen, werden niemals abgewiesen. Sind mehrere Rechtskreise beteiligt, dann finden gemeinsame Fallkonferenzen statt. Den Jugendlichen wird damit die Hilfe zuteil, die sie aktuell benötigen. Erst später, nach der Bedarfsklärung, erfolgt eine gezielte Betreuung durch die zuständigen Mitarbeitenden. Tritt darüber hinaus ein weiterer Unterstützungsbedarf auf, wird an Netzwerkpartner vermittelt oder diese werden ins RoOF zu Sprechstunden eingeladen. Weitere Angebote in Form von Maßnahmen o. ä. ergeben sich dann aus den jeweiligen Zuständigkeiten der Rechtskreise, die spezifische Angebote vorhalten.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit der Akteure und wie wurde sie initiiert?

Die Struktur des Jugendberatungsbüros setzt sich zusammen aus der Steuerungsgruppe (bestehend aus den Abteilungsleitungen und Vorständen der drei Rechtskreise), einem Koordinierungsteam (bestehend aus je einer Mitarbeiterin der Rechtskreise SGB II und VIII) sowie einem operativem Team (das aus 3,75 Stellen des SGB II, einer Stelle des SGB III und einer halben Stelle des SGB VIII besteht). Der Empfangsbereich wird durch Mitarbeitende aller drei Rechtskreise anteilig besetzt.

Die örtliche Nähe der Akteure zueinander begünstigt die Zusammenarbeit sehr, da sie sich bei Bedarf direkt austauschen und abstimmen können. Alle sind dabei gleichberechtigt an den Prozessen im RoOF beteiligt. Dabei sind sie stets tolerant und offen gegenüber den Regularien und Abläufen innerhalb der jeweils anderen Rechtskreise.

Um diese Umsetzung gewährleisten zu können, haben sich alle Beteiligten für eine gelingende Projektinitiierung viel Zeit im Vorfeld genommen. Die Ursprungsidee für die Institutionalisierung der rechtskreisübergreifenden Zusammenarbeit kam über das SGB II und III. Das SGB VIII schloss sich diesem Kooperationsvorhaben dann ebenfalls an. Dieser Prozess mündete abschließend in eine Kooperationsvereinbarung und ein gemeinsames Handlungskonzept der drei Rechtskreise.

Empfehlungen für die Zusammenarbeit zwischen den Rechtskreisen:

  • frühzeitig vor Arbeitsaufnahme mit der Planung beginnen
  • verbindliche Kooperationsvereinbarung aller Beteiligter mit festen Zielen, Aufgaben, Inhalten, Zuständigkeiten
  • ausgewogener Personalschlüssel aller Rechtskreise (physische Anwesenheit aller beteiligten Rechtskreise)
  • Augenmerk auf gute Teamzusammensetzung und Auswahl der Mitarbeitenden (hohe Motivation und Innovationsbereitschaft, hohe Frustrationstoleranz, Teamfähigkeit, Interesse an Netzwerkarbeit usw.)
  • alle Rechtskreise unter einem Dach (One-Stop-Government)
  • gegenseitiges Verständnis für die Aufgaben und Grenzen der jeweils anderen Rechtskreise schafft eine Vertrauensbasis und somit die Grundlage für eine gute Zusammenarbeit

Wäre das Konzept übertragbar auf andere Regionen?

Das Konzept wäre aus unserer Sicht durchaus auf andere Regionen übertragbar, die hinsichtlich Größe und Beschaffenheit dem Kreis Offenbach als Flächenlandkreis ähnlich sind, d. h. dichte Besiedelung, gute Infrastruktur, geringe Entfernung zwischen den Kreiskommunen, flächendeckende Trägerkultur usw.

Welche Rolle spielt die Einbindung in OloV?

Die OloV-Strategie optimiert die Übergangsphasen von der Schule in den Beruf. Hier sind mehrere Partner eingebunden. RoOF ist eine Institution, die dies im Rahmen der Gesamtstrategie umsetzt und damit einen Anteil zur Optimierung der lokalen Vermittlungsarbeit leistet, auch unter Einbezug mehrerer Partner und Netzwerkkooperationen.

Welche Herausforderungen zeigten sich im Prozess der Etablierung rechtskreisübergreifender Strukturen?

Zu Beginn stellten Vorbehalte und ein noch nicht vorhandenes Verständnis für die Arbeitsweise der jeweils anderen Rechtskreise eine Hürde dar. Dies ergab sich insbesondere aus den unterschiedlichen Rechtsgrundlagen: „SGB II sanktioniert nur.“ – „Jugendamt ist aus Datenschutzgründen nicht zur Kooperation bereit.“

Eine weitere große Herausforderung war der Datenschutz. Hier wurden verschiedenste Lösungen angedacht, die aber aufgrund von Vorgaben in den einzelnen Rechtskreisen nicht umgesetzt werden konnten. Letztendlich haben wir nun ein gemeinsames RoOF-spezifisches Dokumentationssystem und gemeinsame Datenschutzerklärungen.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Wir wollen die Teamentwicklung sowohl fachlich als auch persönlich intensivieren und die Netzwerkarbeit ausweiten. Für die Zielgruppe sollen künftig Kooperationsprojekte entstehen. Außerdem planen wir, RoOF auf weitere Kommunen im Kreis Offenbach auszuweiten und sind auf der Suche nach einem Partner für die Evaluierung des RoOF-Projektes.

Gibt es noch etwas, das Sie ergänzen möchten?

Auch wenn es seit der Arbeitsaufnahme des RoOF im Oktober 2018 bisher noch keine belastbaren Zahlen gibt, so ist jetzt bereits ersichtlich, dass sich das RoOF als One-Stop-Government positiv auf die Mitwirkungsbereitschaft der Jugendlichen und die Beratungs- und Betreuungsarbeit durch die Mitarbeitenden auswirkt. Das RoOF und sein Team tragen dazu bei, dass bei Jugendlichen die Vorbehalte und negativen Bilder über sozial-administrative Einrichtungen abgebaut oder verringert und damit die Chancen erhöht werden, den jungen Menschen die bestmögliche Unterstützung anbieten zu können.

Vielen Dank für das Gespräch.

Foto: Graffiti im RoOF, Kreis Offenbach | Ursula Luh

Stand: 25.03.2019

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