Sie sind hier:
Studie: Unternehmen und Jugendliche kommunizieren aneinander vorbei
Die Ausbildungslücke in Deutschland bleibt groß. Zuletzt blieben über 73.000 Ausbildungsplätze unbesetzt, während gleichzeitig mehr als 63.000 junge Menschen keine Lehrstelle fanden. Rund 44 Prozent der Unternehmen konnten im Ausbildungsjahr 2023/24 ihre Ausbildungsplätze nur anteilig oder überhaupt nicht besetzen. Trotzdem meint jeder vierte junge Mensch in Deutschland, es gebe zu wenig Ausbildungsplätze.
Dass interessierte junge Menschen und ausbildungswillige Betriebe oft nicht zueinander finden, hat viele Gründe. Wie eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, liegt es nicht nur daran, dass Angebote und Berufswünsche hinsichtlich Region, Beruf oder Qualifikation nicht zusammenpassen. Einen bislang wenig beleuchteten Aspekt stellt auch die Kommunikation dar, wie die repräsentative Befragung von Jugendlichen und Betrieben im Rahmen der Studie ergab. Unternehmen und junge Menschen bevorzugen unterschiedliche Medien und Inhalte – sie kommunizieren tatsächlich oft aneinander vorbei.
Informationskanäle
Bei der Bedeutung der Informationswege sind sich Unternehmen und junge Menschen zwar weitgehend einig: Für beide Seiten spielen Online-Stellenausschreibungen die wichtigste Rolle, gefolgt von der Vermittlung durch die Bundesagentur für Arbeit und Social Media. Bei der Nutzung von sozialen Netzwerken gibt es aber auffällige Abweichungen: Instagram ist jeweils am beliebtesten, doch während 71 Prozent der Unternehmen auf Facebook über ihre Ausbildungsplätze informieren, sucht hier nur ein Viertel der jungen Menschen nach Ausbildungsangeboten. Umgekehrt nutzen junge Menschen häufig YouTube (47 Prozent), WhatsApp (38 Prozent) und TikTok (30 Prozent) – Kanäle, die von Unternehmen deutlich seltener bespielt werden (z.B. YouTube nur von 18 Prozent). Auch bei der analogen Kommunikation lohnt ein genauerer Blick: So nutzen v.a. Jugendliche mit niedriger Schulbildung Stellenanzeigen in der Zeitung oder den Aushang an „schwarzen Brettern“ in Schulen häufiger als Unternehmen es tun.
Schulabschlüsse vs. persönliche Kompetenzen
Eine weitere interessante Abweichung: Während knapp drei Viertel der Unternehmen angeben, dass zur Besetzung einer Ausbildungsstelle persönliche Kompetenzen gegenüber formalen Abschlüssen immer bedeutender werden, glaubt das nur etwas mehr als die Hälfte der jungen Menschen. Hier könnten Unternehmen gezielt zur Bewerbung motivieren, indem sie den Stellenwert persönlicher Kompetenzen in der Ansprache der Zielgruppe herausstellen.
Formate der Beruflichen Orientierung
Bei den BO-Formaten gibt es ebenfalls Luft nach oben. Die Bedeutung von Praktika stufen beide Seiten am höchsten ein. Doch während Betriebsbesichtigungen 88 Prozent der jungen Menschen wichtig sind, bietet nur knapp jedes zweite befragte Unternehmen diese an. Auch bei Angeboten wie z.B. Ausbildungsbotschafter:innen im Unterricht, Schulkooperationen oder Ausbildungsmessen liegen die Wünsche der jungen Generation und das Angebot der Unternehmen weit auseinander.
„Zwar können Unternehmen, vor allem kleine und mittlere, nicht alle Formate anbieten, doch der Einsatz von nur ein oder zwei zusätzlichen Maßnahmen kann bereits zu mehr Bewerbungen führen. Gemessen am Aufwand lohnt sich zudem eine kontinuierliche Partnerschaft mit Schulen“, betont Dirk Werner, Leiter des Clusters Berufliche Qualifizierung und Fachkräfte beim IW.
Die Studie
In die Studie sind Daten aus zwei Quellen eingeflossen. Zum einen hat das Institut iconkids & youth im Auftrag der Bertelsmann Stiftung vom 23. Februar bis 24. März 2024 eine repräsentative Stichprobe von 1.729 jungen Menschen in Deutschland im Alter zwischen 14 und 25 Jahren befragt. Zum anderen hat das Institut der deutschen Wirtschaft in der 35. Welle des IW-Personalpanel Personalverantwortliche in 895 Unternehmen aller Branchen mit Ausnahme des öffentlichen Dienstes befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ.
Die vollständige Studie stellt die Bertelsmann Stiftung zum kostenlosen Download bereit:
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.): Vom Mismatch zum Match: Wie sich Jugendliche und Unternehmen auf dem Ausbildungsmarkt suchen und finden (können). Eine kombinierte Jugend- und Unternehmensbefragung. (1. Auflage, 29.08.2024, 46 Seiten, PDF)
Quelle: Aktuelle Meldung der Bertelsmann Stiftung vom 29.08.2024, https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2024/august/ausbildungsplatzsuche-unternehmen-und-junge-menschen-kommunizieren-oft-aneinander-vorbei